Gemeiner Wert in der Immobilienbewertung

Bei einer Erbschaft oder Schenkung setzt das Finanzamt auf der gesetzlichen Grundlage des Bewertungsgesetzes den gemeinen Wert (bei Grundbesitzwert) einer Immobilie oder Liegenschaft fest. Die Bewertung erfolgt in der Regel durch den zuständigen Sachbearbeiter der Finanzbehörde vom Schreibtisch aus. Die verwendeten Werte stammen vom Gutachterausschusses. Der Gutachterausschuss liefert Vergleichspreise, Bodenrichtwerte und ggf. auch Sachwertfaktoren sowie Umrechnungskoeffizienten. Die Werte wurden aus allen Kaufpreisen, die dem Gutachterausschuss von den Notaren vorgelegt werden, ermittelt. Die Objektbesichtigung gehört nicht zu den Aufgaben des Finanzamtes, da dies für die Anzahl der Bewertungsfälle zu aufwendig wäre. Hier ist der Sachverständige für den Steuerpflichtigen sowie die Finanzämter durch die Immobilienbewertung unterstützend tätig.

Das Bewertungsverfahren der Behörde basiert zwar auf den Daten der Gutachterausschüsse, berücksichtigt nicht die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten wie in der Immobilienbewertung. Somit entsteht eine gewisse Streuung im Bereich des festgesetzten gemeinen Wertes. Der festgestellte Wert kann mal zu hoch oder mal zu tief ausfallen. Fällt die Bewertung des Finanzamtes zu hoch aus hat der Gesetzgeber zum Schutze des Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben, den niedrigen gemeinen Wert nachzuweisen. Dies erfolgt durch den Öffnungsparagraphen § 198 (Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts" des Bewertungsgesetz (BewG). Die Immobilienbewertung stellt den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls fest und spart in der Regel erhebliche Erbschaftssteuer.

Der Steuerpflichtige erbringt den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten. Der Sachverständige ermittelt in der Immobilienbewertung den Verkehrswert. Der Verkehrswert entspricht dem gemeinen Wert.

Der gemeine Wert

§ 9 Bewertungsgesetz

(1) Bei Bewertungen ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen.

(2) Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

(3) Als persönliche Verhältnisse sind auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Das gilt insbesondere für Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwilligen Anordnungen beruhen.

Niedrigeren gemeinen Wert nachweisen

§ 198 Bewertungsgesetz

Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.

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Historie des gemeinen Werts

Wobei hier gemein im übertragenen Sinne auf allgemein zu sehen ist und nicht mit gemein als "ungerecht" verwechselt werden sollte. Der Ursprung kommt wohl vom "Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) *1794"

Gemeiner Werth

Auszugsweise aus dem ALR v. 1794

§. 111. Der Nutzen, welchen eine Sache ihrem Besitzer leisten kann, bestimmt den Werth derselben.

§. 112. Der Nutzen, welchen die Sache einem jeden Besitzer gewähren kann, ist ihr gemeiner Werth.

§. 113. Annehmlichkeiten oder Bequemlichkeiten, welche einem jeden Besitzer schätzbar sind, und deswegen gewöhnlich in Anschlag kommen, werden dem gemeinen Werth beygerechnet.

 

Immobilienbewertung bei Schenkung oder Erbschaft

 

Bei der Erbschaft einer Immobilie ist der Nachweis des niedrigen gemeinen Werts nur dann erforderlich, wenn die Freibeträge nach § 16 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) überschritten werden. Diese richten sich nach der Steuerklasse des Erwerbers (Erbe). Je nach der Höhe der Erbschaft und der Überschreitung der Freibeträge sind Erbschaftssteuer oder Schenkungssteuer in prozentualen Anteilen, abzüglich der Steuerfreibeträge, zu entrichten. Diese Steuersätze gliedern sich nach den jeweiligen Steuerklassen und dem Wert des steuerlichen Erwerbs (der Erbschaft). Die Steuersätze und Steuerklassen stehen hier zum Download bereit.  

Interessant wird es jedoch bei einer eventuellen Überschreitung der Freibeträge oder wenn der Steuerpflichtige in eine anderen Steuersatz rutscht. Hier ist es unumgänglich, den Verkehrswert der Immobilie zum Todestag oder Schenkungstag festzustellen. Es besteht die Möglichkeit, durch eine Immobilienbewertung, einen günstigeren Steuersatz zu nutzen. Die Immobilienbewertung muss zwingend durch einen Sachverständigen ausgeführt werden. Es gilt jedoch grundsätzlich, dass die Feststellung des Grundbesitzwertes durch ein Verkehrswertgutachten für die Behörde nicht bindend ist, sondern der Beweiswürdigung des Finanzamtes unterliegt. Das Verkehrswertgutachten der Immobilienbewertung muss gewisse Prüfregularien erfüllen, um Akzeptanz bei der Behörde zu finden. Das Verkehrswertgutachten wird auf seine inhaltliche Richtigkeit und vor allem auf seine Schlüssigkeit durch das Finanzamt überprüft. Ist das Gutachten nicht schlüssig oder enthält Fehler, so wird das Verkehrswertgutachten abgelehnt. Die Immobilienbewertung war umsonst.    

Unsere Aufgabe in der Immobilienbewertung ist es, zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts, ein schlüssiges Verkehrswertgutachten zu liefern. Denn wir sind vor Ort, nehmen das Objekt in Augenschein und können somit auf tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten hinweisen, die dem Finanzamt verborgen bleiben.  

 

 

Verkehrswert contrag gemeiner Wert

 

Die Ermittlung des „Gemeine Werts“ (§ 9 BewG) und des „Verkehrswert“ (§ 194 BauGB) sind nicht identisch. Der gemeine Wert wird von den Finanzämtern in der Immobilienbewertung unter Zuhilfenahme von erhobenen Daten ermittelt. Ein wesentlicher Lieferant der Daten ist hier der jeweilige Gutachterausschuss der Städte und Landkreise. Hier werden die Bodenwerte abgefragt sowie diverse Umrechnungskoeffizienten bzw. Faktoren die für eine Berechnung des gemeinen Wertes erforderlich sind. Es wird unterstellt, dass es sich bei der Immobilie um eine laufend Instandgehaltene handelt. Instandhaltungsrückstände, Modernisierungsrückstau usw. finden keine Berücksichtigung. Es handelt sich bei dem Bewertungsverfahren der Finanzämter um ein Massenbewertungsverfahren, dass ohne Objektbesichtigung, durch seine festen Rahmenbedingungen nach dem Bewertungsgesetzt eine gewisse Streuung des Werts nach oben und unten aufweist. 

Um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, den „Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts“ zu führen, hat der Gesetzgeber die Öffnungsklausel in § 198 BewG gewählt. Entspricht das Ergebnis des statischen Verfahrens nach dem Bewertungsgesetz nicht dem realen Wert der Immobilie, kann der Nachweis des niedrigen gemeinen Werts durch eine Immobilienbewertung mit einem Verkehrswertgutachten erfolgen.   

In der Immobilienbewertung werden für ein Verkehrswertgutachten teilweise die identischen Daten erhoben, wie für das statische Massenbewertungsverfahren der Finanzämter. Wesentlicher Unterschied ist jedoch die Objektbesichtigung und die Aufnahme der tatsächlichen Gegebenheiten der Immobilie. Die Aufgabe der Immobilienbewertung ist es hier, die tatsächlichen Gegebenheiten deutlich darzustellen und Abweichungen vom Regelfall schlüssig zu begründen.   

Die Rechtsprechung hat entwickelt, dass der Verkehrswert/Marktwert nach § 194 BauGB dem gemeinen Wert einer Immobilie entspricht. Es ist somit „sinngemäß“ der gleiche Wert in der Immobilienbewertung gemeint, nur die Begrifflichkeit ist unterschiedlich. Die Findung des Wertes unterscheidet sich jedoch wesentlich.  

 

Wir unterstützen Sie und ermitteln Ihre Anforderungen bei einem kostenlosen Infomationsgespräch. Nehmen Sie bitte mit Ihrem Immobilienbewerter Kontakt auf. 

 

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